Mittwoch, 16. Januar 2013

Das Abenteuer Trans Swiss Triathlon am 26.6.1999

"If you can dream it, you can do it"

Vorgeschichte

Vor etwa 10 Jahren (also ca. 1989) traf ich im Bahnhof Bern einen ehemaligen Sportkollegen mit einer riesigen Sporttasche umgehängt - er berichtete mir erstmals vom soeben beendeten Trans Swiss Triathlon. Staunend hörte ich ihn erzählen: Zuerst 3,5 km Schwimmen im Lago Maggiore von Locarno nach Tenero, dann 225 km Radfahren über Gotthard, Sattel/Schindellegi, Seedamm nach Uster/Greifensee und zuletzt noch 51 km Rennen bis nach Schaffhausen.
Ich habe die Episode bald wieder vergessen - aber eben doch nicht ganz.

1996 musste ich wegen einer hartnäckigen Ueberlastungs-Entzündung den Sport aufgeben, mehr als ein Jahr lang war jegliches Training absolut unmöglich, und das Ende meiner Sport-Aktivität schien gekommen. Dann, nach etwa anderthalb Jahren, liessen die Beschwerden langsam nach, und anfangs 1998 konnte ich wieder ein vorsichtiges Training aufnehmen.
Aus Freude über die nahende Genesung reifte in mir der Entschluss heran, dass ich mir 1999, zu meinem 50. Geburtstag, den Trans Swiss Triathlon schenken würde.
Ich hatte noch anderthalb Jahre Zeit für eine seriöse Vorbereitung.




  Vorbereitung

Das Problem war nun bloss, dass ich kaum schwimmen konnte.
Zwar gelangen mir einige 100 m langsames Brustschwimmen, aber am Triathlon waren 3,5 km Crawl im See gefragt. Also gings ab ins Hallenbad, jede Woche 2mal über Mittag. Das war ein Bild, wenn ich prustend und keuchend die 25 m Crawl zurückgelegt hatte und dann völlig ausgepumpt in den Seilen hing. Ich hatte den Eindruck, dass sich die Badmeister immer ganz unauffällig in meiner Nähe aufhielten, und einmal glaubte ich sogar gesehen zu haben, wie sich einer beiläufig etwas angenetzt hatte ...  - für alle Fälle wohl. Ueben, üben und nochmals üben war das Motto, irgendwann schaffte ich 2 Längen, dann 4. Ein paar Crawl-Lektionen bei Pierre Manz brachten den Durchbruch und im letzten Dezember schaffte ich erstmals einen ganzen Kilometer - in der Altjahreswoche habe ich mich dann für den Trans Swiss Triathlon angemeldet.
Seit Ostern bin ich nun jede Woche einmal die 3,5 km geschwommen, zuletzt übungshalber auch zweimal im Burgäschisee, im Neoprenanzug.

Das Lauftraining bereitete mir am wenigsten Sorgen. Ich musste bloss meine bisherigen Trainings von 8-10 km auf 2-3 Stunden Dauer erhöhen. Meine "Runden" führten nun nicht mehr nach Münchringen/Zauggenried, sondern in etwas gemütlicherem Tempo z.B. über die Emmenbrücke bei Utzenstorf.

Dagegen hatte ich beim Velo-Training noch einiges aufzuholen. So fand am Sonntagmorgen das Kaffeetrinken nun häufig auf der Mänziwilegg, auf der Lüdernalp oder auf dem Weissenstein statt. Längere Touren führten über den Schallenberg oder über die Vue des Alpes und Yverdon.
Einmal habe ich im Mai die ganze Original-Strecke von Tenero über den Gotthard bis Uster mit dem Rennvelo rekognosziert und mir dabei auch einige Restaurants für Zwischenhalte vorgemerkt.


Der Wettkampftag am 26.6.1999

Eigentlich ist "Wettkampf" nicht das richtige Wort. Es gibt nämlich am Trans Swiss Triathlon keine Rangliste, sondern nur eine "Finisher"-Auszeichnung für all jene, die innerhalb von 22 Stunden nach dem Start, d.h. bis Sonntag morgen um 04 Uhr in Schaffhausen eintreffen.
Der Anlass wurde in diesem Jahr zum allerletzten Mal durchgeführt, und es wurden 1111 Anmeldungen berücksichtigt (darunter auch 100 Frauen!).

Besammlungsort war am Freitag mittag in Uster in der Wechselzone vom Velo zum Laufen.
Dort haben wir erst mal einen Sack mit den Laufkleidern und einen anderen mit den Kleidern fürs Ziel deponiert. Mit 3 Extrazügen wurden dann alle Teilnehmer mitsamt dem weiteren Gepäck, dem Zelt und den Velos nach Tenero gebracht.
Bei den Gesprächen im Zug kamen mir dann echte Zweifel, ob dieser Anlass für mich das Richtige war. Jeder hatte sein bestes T-Shirt montiert von irgendwelchen Eisen-Ultra-Giga-Powerläufen - mein nagelneues Finisher-Shirt vom diesjährigen GP von Bern nahm sich hier wie ein biederes Konfirmationshemd aus.
Es wurde dann auch locker vom Training für diesen Anlass erzählt: Da war etwa von sagenhaften jährlichen 12'000 Velo-Trainingskilometern zu hören, und auch von der Zürichsee-Ueberquerung wurde erzählt (allerdings längs, wohlverstanden, nicht etwa quer!).
Ich war da ganz offensichtlich im falschen Film - das für meine Verhältnisse enorme Trainingspensum von 6-12 Stunden pro Woche seit Neujahr erweckte hier nur ein müdes Lächeln.
Mir schwante nichts Gutes für den kommenden Tag.
Am Abend habe ich die grosse Pasta-Party ausgelassen und habe im Zelt allein ganz trotzig mein mitgebrachtes Birchermüesli verzehrt. Ich habe mich dabei wieder auf meine Grundsätze besonnen: Beim Schwimmen einfach durchkommen, auf der Velo- und Laufstrecke nie am Limit oder gar im "roten" Bereich liegen, sowie bei jeder Gelegenheit stets essen und trinken, um einem Hungerast vorzubeugen.

Tagwache war am Samstag morgen um halb vier Uhr. Nach letzten Vorbereitungen am Velo wurden wir (alle im Neoprenanzug) mit 2 Schiffen nach Locarno zum Start gebracht. Um punkt 06 Uhr stieg die Startrakete in die Höhe und der See begann von den 1000 Crawlern zu brodeln.

Für mich begann die Sache ganz schlecht. Ich begab mich als schlechter Schwimmer erst einige Minuten später ins wieder ruhigere Wasser. Zwar fand ich bald meinen Rhythmus, und ich geriet auch nie in Seenot. Aber die anderen Köpfe rund um mich herum wurden immer seltener, und zuletzt war ich fast alleine unterwegs, das Blinklicht am Ufer schien immer gleich weit weg zu sein. Nach meinem Zeitplan hätte ich um halb acht Uhr in Tenero ankommen sollen, aber es schlug dann vom Turm gerade acht Uhr, als ich endlich aus dem Wasser kroch.
Zwar hatte ich mein erstes Teilziel ("einfach durchkommen") erreicht, aber mein Zeitplan war schon völlig im Eimer. Bloss noch etwa 10 der über 1000 Velos standen herum, als ich mich umzog. Ich hatte nun ein echtes Problem, denn nur gerade 20 Minuten hinter mir machte sich der Besenwagen in flottem Tempo Richtung Gotthard auf den Weg.
Dank leichtem Rückenwind konnte ich bis Airolo den Rückstand auf meinen Zeitplan wieder aufholen, und bald waren wieder viele andere Teilnehmer vor und auch hinter mir. Der Aufstieg durch die Tremola hinauf zum Gotthard und dann die lange Abfahrt bis Erstfeld sind unvergessliche Erlebnisse.
Nun zahlte sich auch meine Vorbereitung aus: Ein Anruf per Natel (ohne abzusteigen) von Brunnen aus genügte, und im Café Ryser in Schwyz standen bei meiner Ankunft 2 Gläser Coca Cola und ein Nussgipfel auf einem Gartentischchen bereit.
Nun lagen noch der lange Aufstieg nach Rothenturm und der Abstecher über Einsiedeln und den Etzel vor mir, bevor es über den Seedamm nach Rapperswil und Uster ging. Obwohl es nach Schwyz zu regnen begann, fühlte ich mich gut unterwegs. Ich hatte bisher nie eine Krise gehabt, und genau um 19 Uhr traf ich in Uster in der Wechselzone ein, tropfnass zwar, aber immer noch guter Dinge.











Guten Mutes in Uster beim Start zur Laufstrecke, um 19 Uhr. 













Auf der Laufstrecke fühlte ich mich wieder wohler - jedenfalls zu Beginn. Nach der ersten Stunde Laufen hörte der Regen langsam auf und ich staunte, auf welch lieblichen verlassenen Wanderwegen wir die Industriezone der Agglomeration Zürich durchquerten. Der Weg führte über kleine Natursträsschen, meistens trabten wir durch Wälder, kleine Dörfer, an Obstplantagen vorbei.
In der Nähe von Bülach wurde es Nacht - mir fehlten hier immer noch etwa 30 km. Ein langer Wurm von Taschenlampen-Lichtern bewegte sich nun dem Rhein entlang. Zweimal verloren wir den Weg, mussten umkehren und wieder die Schilder und Markierungen an den Bäumen suchen. Unvergesslich ist mir das Wegstück entlang der Thur Richtung Ellikon, als wir bei Mondschein auf dem Thurdamm trabten, mitten durch Sumpfgebiete mit tausendfachem Froschgequake.









Irgendwann in der Nacht bei einem Verpflegungsposten - nicht mehr ganz so frisch..















Von Ellikon an, nach ca 36 km, wurden die Beine zunehmend schwerer, die Kilometer wurden länger und länger. Schon kleine Steigungen konnten nur noch im Schritt bewältigt werden. Ein Problem war nun auch das Essen und Trinken: Ich fühlte mich nach mehreren Litern Coca Cola, Rivella Marathon und Tee völlig ausgelaugt, ich war wohl schon am zweiten oder dritten Meter Energie-Riegel und hatte stets Bananen gegessen, alles hing mir zum Hals heraus. Trotzdem musste ich weiter essen und trinken, ich kam jetzt immer mehr an die Grenzen.
Endlich dann um 02 Uhr hörte ich tatsächlich das Rauschen des mächtigen Rheinfalls, und kurz nach halb drei Uhr war es dann soweit: Die letzten Meter führten über Treppen zum Munot hinauf, und im Innenhof dieses ehrwürdigen Gebäudes war das Ziel!
Ein unbeschreibliches Glücksgefühl überkam mich beim Ueberqueren der Ziellinie, bei den Gratulationen, beim Anziehen des Finisher-T-Shirts und beim Entgegennehmen des Erinnerungs-Granitsteins.
Ich hatte es zusammen mit etwa 870 anderen Finishern geschafft, die ganze Schweiz von Süden nach Norden per Triathlon zu durchqueren.


If you can dream it, .....




 Geschafft!


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